Die Geschichte der Kühlzüge der DR
Die ersten Kühlzüge der DR
Die Deutsche Reichsbahn (DR) erhielt in den Jahren 1954 und 1955 jeweils einen 22-Wagen-Kühlzug aus dem Waggonbau Dessau. Diese beiden Kühlzüge bestanden aus 20 Kühlwagen sowie 1 Kältemaschinenwagen und 1 Dieselaggregatewagen. Die Kühlung erfolgte indirekt, d.h. im Kältemaschinenwagen wurde die Kühlsole erzeugt und mittels großer Kupplungen zu jedem Wagen geleitet.
Bei der DR wurden die beiden Kühlzüge recht bald getrennt und als 4x 11-Wagen-Kühlzüge gefahren. Intern bezeichnet als KMZ 1/I, 1/II, 2/I und 2/II. In den ersten Jahren wurden diese Halbzüge mit 10 Kühlwagen und einem kombinierten Wohn-/ Maschinenwagen gefahren. Für das Personal der Kühlzüge (4 Maschinisten im 2x 12-Stunden-Dienst), das in einem kleinen Abteil zwischen Kühl- und Maschinenabteil wohnte, war diese Situation äußerst unzufrieden. Die DR beschaffte daher im Jahr 1957 vom Waggonbau Dessau 4 Mannschaftswagen mit komfortabler Inneneinrichtung.
DR Kühlzug 1954
Aufnahme vor unbekanntem Kühlhaus
Zitat Rolf Tenius
“Dieser neue Wohnwagen war eine Klasse für sich. Alles aus Echtholz und feinste Arbeit. Er hatte einen schönen Aufenthaltsraum mit einem runden Tisch und drei Stuhlsesseln, eine Liege mit Bettkasten und Einbauschränke. Hinter der Tür dieses Raumes begann ein Gang von dem drei Schlafkabinen abgingen. Eine Schlafkabine war als Quarantänestation im Krankheitsfalle gedacht. Diese wurde dann später zum Küchenvorratsraum mit Kühlschrank und Regalen umgebaut. Jede Schlafkabine hatte eine Waschnische mit Spiegel und Licht, Doppelstockliegen gepolstert sowie zwei Einbaukleiderschränke. Hinter dem Einstiegsraum befand sich die Tür zur Küche. Diese war mit einem großen Geschirrschrank, einem Abwaschtisch mit Unterschrank, einem Propankocher und einer Kochmaschine auf Kohlebasis ausgestattet. Hinter einer Tür ging es dann zum Werkstattraum und zur Heizanlage. Die Heizung für den gesamten Wagen war eine Warmwasserumlaufheizung mit einem Kohlebunker der bis unter das Dach reichte. Am Ende des Wagens befand sich auf einer Seite die Toilette mit Waschgelegenheit und auf der anderen Seite ein Duschraum mit gefliestem Fußboden. Der Wagen war von den Drehgestellen her sehr weich gefedert, was sehr angenehm war, nur wenn es zum Mittag während der Fahrt Suppe gab, gab es auch Probleme.”
Die Solekühlzüge hatten aber auch diverse Nachteile (u.a. war eine Vorkühlung nur im gesamten Zugverband möglich, schwierige Erfassung und Verteilung kleinerer Mengen, sowie die Leistungsminderung durch die indirekte Kühlung), so daß die DR bereits Anfang der 60er Jahre eine neue Generation von Kühlzügen forderte.
Die Ausmusterung der Sole-Kühlzüge erfolgte in den Jahren 1975/76, einen Teil der Wagen baute man zu normalen Eiskühlwagen um. Diese waren u.a. an den Eisladeluken an der Stirnseite der Wagen sowie an den Dachlüftern, Bauart Flettner, erkennbar.
Der "neue" Kühlzug
Zu diesem Zeitpunkt besaß die Deutsche Reichsbahn nur noch einen Kühlzug (Baujahr 1962/63), bestehend aus 10 Standard- Maschinenkühlwagen, Typ MK4-61, und einem Diesel-Generator-Aggregatewagen mit Mannschaftsabteil, Typ D 120/62 DR (später als D 260 Transit bezeichnet).
4achsiger Dieselmannschaftswagen D120/62
Werksaufnahme, etwa 1961
AG Standard-Maschinenkühlwagen Mkw 60/1
Werksaufnahme, etwa 1960
Die Maschinenkühlwagen hatten nun eine direkte Kühlung, d.h. 2 eigene Einbau-Kälteanlage (“Stopferanlage”) sowie 2 Unterflur-Diesel-Generator-Aggegrate. Im Kühlzugverband übernahm der DM4 die Energieversorgung, die Kühlwagen konnten aber auch autonom (also einzeln) eingesetzt werden.
Laut Rolf Tenius fuhr dieser Kühlzug aber fast immer nur als 6-Wagen-Zug. Ein weiterer Maschinenkühlwagen war i.d.R. in der Versuchsanstalt in Schlauroth stationiert (und fungierte dort als Kältekammer).
Der Prototyp des DM4 ließ es an Komfort fehlen. Ausgestattet mit Kühlwagen-Drehgestellen war die Laufruhe nicht besonders gut. Die Inneneinrichtung war sehr schlicht gehalten, überhaupt kein Vergleich zu den Mannschaftswagen der Sole-Kühlzüge. Aber aus diesen Fehlern lernte man, und so erfuhren die DM4 der nächsten Generation erhebliche Verbesserungen.
Dieser Kühlzug, der -sowohl von den eingesetzten Kühlwagen, wie auch vom Dieselmannschaftwagen- ein Einzelgänger war, wurde im Jahr 1987 endgültig abgestellt. Andere Quellen berichten von einem Rückbau der Maschinenkühlwagen (Ausbau der Kältestopfer- und Dieselelektroaggregate) zu normalen Wärmeschutzwagen und deren weiterem Einsatz -teils als Privatwagen- bis in die 90er Jahre.
Endabnahme von Kühlzügen für die DR
VEB Waggonbau Dessau, 1977
Die letzten Kühlzüge der DR
Im Jahr 1977 beschaffte die Deutsche Reichsbahn dann 5 Kühlzüge des Typs ZC9-654-77, bestehend aus jeweils 10 Maschinenkühlwagen MK4-432-77 und einem Dieselmannschaftswagen DM4-310-77. 2 weitere DM4 wurden als Ersatz angeschafft, kamen aber recht schnell ebenfalls zum Einsatz. So fuhren zeitweise 8 Kühlzüge ber der DR!
Die neuen MK4 waren wesentlich besser und leistungsfähiger. Schon allein die Ausstattung mit 4 Laderaumtüren beschleunigte den Be- und Entladevorgang erheblich. Die DM4 besaßen modernere Motoren sowie wieder einen hohen Komfort für das Bedienpersonal (wie auch beim Vorgänger fuhren auf diesen Zügen 3 Mann als Personal).
Bei den Dieselmannschaftswagen fanden nun als Drehgestelle moderne Görlitz-V-Drehgestelle Verwendung, was enormen Zuwachs an Laufruhe brachte. Die Inneneinrichtung war wesentlich besser, als beim ersten DM4 aus dem Jahr 1961
Abschließend möchte ich Rolf Tenius noch einmal zu Wort kommen lassen. Er berichtete über den Einsatz der DR-Kühlzüge folgendes:
Zitat Rolf Tenius
“In der DDR gab es ca. 30 Kühlhäuser mit Gleisanschluss, die wir anfuhren. Sie gingen von Schwerin, Rostock, Stralsund über das ganze Land verteilt bis nach Görlitz, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Wüstenbrand, Treuen, Gera, Erfurt, Ebeleben. Es gab Aufträge ohne Ende. Umlagerungen zwischen den Kühlhäusern, Hafenver- und entladungen, Beladung ins Ausland oder Beladung im Ausland. Die Auslandsfahrten dauerten oft bis zu 3 Wochen. Tanken, Wassernehmen usw. musste von den Besatzungen organisiert werden. Betankt wurden die Züge an den Loktankstellen in den BW's. Nach jeder Lastfahrt mussten die Waggons gewaschen und desinfiziert werden. Ladegüter waren gefrorene Schweinehälften, Rinderviertel, Geflügel, Kaninchen, Butter, Fisch, Leber, gefrorene Erdbeeren, Spinat, Suppengemüse, Speiseeis (Moskauer Eis, Eis am Stiel aus Polen) oder Eis aus hiesiger Produktion, Pommes Frites aus Hagenow aber auch im Winter Südfrüchte usw. da alle Kühlzüge auch heizen konnten. Die Kühlzüge fuhren nach Polen, UdSSR (Brest), CSSR, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Griechenland (Piräus), Westdeutschland (Hamburg/Hafen) und als autonomer Einzelläufer nach Westberlin, Frankreich , Schweden und Österreich.”
118 007 mit Kühlzug nahe Berlin, 23-06-1979
Foto mit freundlicher Genehmigung: Gerd Böhmer
Im Jahr 1992 wurden auch die Kühlzüge vom Typ ZC9-654-77 abgestellt und verschrottet. Somit endete die Ära von deutschen Kühlzügen auf deutschen Gleisen nach 38 Jahren.
Vielen Dank an Rolf Tenius, Berlin, für seine Unterstützung.
© M.Palmer im Januar 2006/Mai 2008